Apple und Amazon, USA
Zunächst einmal vorab: Als Tech-Freak und Börsianer liebe ich Apple und Amazon und nutze die Produkte und Dienstleistungen beinahe täglich. Aber auch im Olymp der Unternehmen scheint nicht immer die Sonne.
Beide Unternehmen haben einen positiven Plan für den Umwelt- und Klimaschutz vorgelegt.
Jeff Bezos hat im September 2019 seine neue Klimaschutzinitiative vorgestellt und hofft durch die Größe des Konzerns auch andere Unternehmen von seinem Ziel zu überzeugen [11]. Ich habe Gänsehaut bekommen, als ich den aktuellen Werbespot dazu von Amazon gesehen habe „Lassen wir großen Plänen auch große Taten folgen“ [12]:
– Wir werden bis 2040 CO2-neutral sein.
– Wir haben 100.000 Elektrofahrzeuge bestellt.
– Wir haben weltweit über 90 Projekte für erneuerbare Energien.
– Bis 2025 werden wir alle Abläufe zu 100% mit erneuerbaren Energien betreiben.
– Wir haben einen Climate Pledge Fund über 2 Milliarden Dollar eingerichtet.
Apple hat dann im Juli 2020 folgende Eckpunkte ihrer 10-Jahres-Roadmap vorgestellt [13]:
– Verpflichtung zu 100-prozentiger Klimaneutralität seiner Zuliefererkette und seiner Produkte bis
2030
– Kohlenstoffarmes Produktdesign
– Ausbau der Energieeffizienz
– Erneuerbare Energie
– Innovationen im Fertigungsprozess und bei Materialien
– Entfernung von Kohlenstoff
Sehr schön. Aber wie sieht es nun mit den Lieferantenbeziehungen in Schwellenländern aus?
Apple hat so hohe Margen auf ihre Produkte, dass der High-Tech-Gigant lange die Lieferanten geheim gehalten hat. Durch den Skandal bei Foxconn, ein taiwanesischer Computerbauer mit Produktionsstätten u.a. in China, musste Apple in die Offensive gehen, damit kein Imageschaden auf die Marke Apple durchschlägt. Foxconn ist 2010 wegen sehr schlechten Arbeits- und Sozialbedingungen der Fabriken in China in die Presse geraten u.a. wegen daraus resultierenden Selbstmorden, Arbeit von Minderjährigen, Arbeitszeiten von 14 Stunden, geringen Löhnen und giftigen Dämpfen [14] [15]. Als Gegenoffensive hat Apple dann Reports über die Sozial- und Umweltstandards ihrer Lieferanten erstellt.
In 2018 hat Amazon ein ähnliches Problem mit Foxconn in China: „Zu viele Überstunden, zu schlechte Bezahlung, zu viele Tagelöhner – in einer chinesischen Fabrik des Hardwareherstellers Foxconn, der für Amazon den Lautsprecher Echo und den E-Book-Reader Kindle baut, wurde systematisch gegen Arbeitsschutzgesetze verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation (NGO) China Labor Watch. Amazon habe die Verstöße zugegeben und arbeite daran, sie zu beseitigen, berichtet der Guardian unter Berufung auf eine entsprechende Erklärung des Unternehmens.“ Dramatisch war die Situation für die Tagelöhner: Ein unterdurch-schnittlicher Stundensatz von 2,26 US-Dollar zwingt zu Überstunden, Beschäftigung ohne Kranken- und Sozialversicherung, bei schlechter Auftragslage ohne Geld freigestellt, bei guter Auftragslage mussten in Spitzenzeiten 100 Überstunden im Monat geleistet werden und dies teilweise 14 Tage ohne einen freien Tag, Überstundenkompensation wurde beschnitten oder nicht bezahlt bei z.B. unentschuldigten Fehlen oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses [16].
Die Zeit schreibt dazu: Unternehmen wie Apple oder Amazon machen ihren Zulieferfirmen Vorgaben, unter welchen Bedingungen ihre Produkte hergestellt werden sollen. Gleichzeitig aber setzen sie sie unter Druck, die Produktionskosten so niedrig wie möglich zu halten [17].
Tatsächlich hat sich wohl die Situation für die Arbeiter bei Foxconn in den letzten 10 Jahren verbessert, aber das Grundproblem, nämlich das nicht-Einhalten von z.B. Arbeitsgesetzen und Sozial- sowie Umweltstandards hat sich bis 2019 nicht grundlegend gewandelt. Sowohl NGO, lokale Politik als auch die Maßnahmen der Auftraggeber Apple und Amazon führen zu keiner grundlegenden Kehrtwende der Situation. Eine demonstrative Abkehr von dem Lieferanten, die man eigentlich in Konsequenz erwarten sollte, zeichnet sich nicht ab.
Bemerkung zu den eingeführten Maßnahmen von Foxconn: Um die Suizidrate zu senken wurden Netze an die Gebäude gehängt und Psychologen eingestellt, stupide und wiederholende Tätigkeiten werden vermehrt durch Roboter übernommen, was wohl mehr der technologischen Entwicklung und Kostenoptimierungsmaßnahmen geschuldet ist, als dem tatsächlichen Schutz der Arbeiter. Ich bezweifle, dass dies wirklich eine ursächliche Verbesserung für die Arbeitsbedingungen ist.
Im Mai 2020 wurde bekannt, dass Apple im Rahmen einer Lieferantendiversifizierung Lieferanten wie Luxshare (auch ein in China produzierendes Unternehmen) mit mehr Produktionsaufträgen aufbauen will [18]. Ob dies im Zusammenhang zu sehen ist mit den Arbeitsbedingungen in den chinesischen Foxconn-Fabriken ist leider fraglich, da Apple-Lieferanten wie Pegatron (hat ähnliche Kritiken wie Foxconn), Wistron und auch Foxconn versuchen, Kapazitäten in anderen Weltregionen wie Indien, Vietnam oder Brasilien aufzubauen. Vielleicht geht es aber eher um weitere, langfristige und legitime Kosteneinsparungen in der Herstellung? Vielleicht aber auch um das Nutzen von flexibleren Arbeits- und Sozialbedingungen? Aber mit Sicherheit ist dieser Schritt ein Lösen von der Abhängigkeit zu China, insbesondere durch ein drohendes Reißen der Lieferkette z.B. wegen Corona und den schwelenden Handels- und Wirtschaftskonflikten zwischen den USA und China. Eine mögliche politische Eskalation zwischen China und Taiwan wird merkwürdigerweise ausgeblendet, da Foxconn, Pegatron und Wistron taiwanesische Unternehmen sind.
Fazit
Der Umgang mit Schwellenländern in der Kunden- und Lieferantenbeziehung ist ein interessanter Benchmark für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens, da Unternehmen Grauzonen zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil nutzen können. Auch wenn es nicht richtig ist, das unfaire Wettbewerbs-situationen und ein Schaden wie z.B. bei Wirecard entsteht, führen unterschiedliche Auslegungen bzw. die Art der Ahndung von Verstößen gegen Gesetze, Arbeitsgesetze sowie Sozial- und Umweltstandards dazu. Es wird wohl auf absehbare Zeit kein von allen Ländern gleich gelebtes Gesetzessystem à la Star Trek geben, aber die Bestrebung, Unternehmen in eine übergreifende und globale Verantwortung zu nehmen, sind schon vorhanden (z.B. das anstehende deutsche bzw. europäische Lieferkettengesetz). Die Idee dahinter ist, dass u.a. ein Unternehmen in Deutschland in die Haftung genommen wird, wenn Menschenrechtsverletzungen in Schwellenländern bei einem Lieferanten festgestellt werden. So wundert es nicht, das Schöffel die Einführung eines verbindlichen Lieferkettengesetz für Unternehmen begrüßt, da Schöffel freiwillig bereits viel Verantwortung für seine Lieferanten in Fernost übernommen hat und vorlebt.
Im Vergleich dazu ist das Ergebnis von Apple und Amazon bei Foxconn in ihren chinesischen Fabriken ernüchternd, menschenverachtend und inkonsequent – wirtschaftlich kann ich das Nachvollziehen. Ich finde, man muss mit den beteiligten Menschen als höchstes Gut anfangen und darf Nachhaltigkeit nicht auf Umwelt- und Ressourcenschutz sowie CO2-Reduzierung begrenzen bzw. vermarkten oder eine Begriffsbildung superpositionieren, die gerade bequem ist. Ich freue mich über die Umweltprogramme der beiden Unternehmen. Ich kann mir schon bildhaft das Marketing der nächsten Jahre vorstellen, wie diese Green-Product-Ambitionen uns als Kunden ein warmes Gefühl geben, dass wir beim Kauf dieser Produkte alles richtig machen und auch noch der Umwelt helfen. Aber wo ist der Absteller, um in den Schwellenländern die Menschen zu schützen? Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man einfach so weitermacht und geblendet wird vom grellen Licht der Kampagnen für Klimaneutralität und Umweltschutz. Reports der Situation und Maßnahmenpläne zu erstellen schafft Zeit, klärt die Schuldfrage und macht frei von Haftung, aber das Ergebnis muss stimmen. Da müssen Apple und Amazon nachbessern, wenn sie es denn wollen. Beide Unternehmen sind groß, wirtschaftlich stark und verfügen über die notwendigen Geldmittel, aber das Stakeholder-Value Prinzip scheint noch nicht angenommen zu sein.
Zu Wirecard: Allen Beteiligten war klar, dass das Kartenhaus zusammenbricht, nur nicht wann. Offenbar wurden Chancen verpasst, um Fehlentscheidungen zu heilen oder die Macht des Geldes war einfach zu groß und es wurde einfach weitergemacht. Ich verstehe Nachhaltigkeit so, dass es unmöglich sein muss, 250 Menschen zum Wegschauen und Weitermachen zu animieren, wenn etwas mit den gesellschaftlichen und sozialen Grundwerten des Unternehmens nicht stimmt. Eigentlich sollte diese Nicht-Konformität prima in einem Unternehmen bestehen können. Hier liegt aber die Chance einer passenden Nachhaltigkeitsstrategie für ein Unternehmen, die klare und ehrliche Werte nach dem Stakeholder-Value-Prinzip vorlebt und den notwendigen Kulturwandel dafür unterstützt. Strengere Kontrollen, weitere Gesetze und noch mehr Dokumentation werden dies langfristig nicht ersetzen und dürfen nicht zu unwirksamen, einlullenden Aktionismus führen.
Macht denn nun Nachhaltigkeit Unternehmen besser? An den Beispielen von Schöffel, Amazon und Apple sieht man es, wie sich die Wertekultur der Unternehmen positiv entwickelt hat. Das größte Plus liefert eine offene gesellschaftliche und politische Diskussion um das weit gespannte Thema Nachhaltigkeit mit ihrem inhärenten Wertewandel. Ich bin fest davon überzeugt, dass Amazon und Apple ihre Strategie in der Lieferkette ins Positive drehen werden, wenn denn der Druck der Stakeholder unnachgiebiger und fokussierter wird. Natürlich hilft auch der direkte Druck von Stakeholdern aus Politik und von Aktionären, aber Nachhaltigkeit hat auch immer was mit Freiwilligkeit, Selbsterkenntnis und Eigeninitiative zu tun. Ohne Nachhaltigkeit würden wir diese Entwicklung in Unternehmen nicht sehen, weil sie schlicht dem ursprünglichen Unternehmenszweck finanzielle Gewinne zu erzielen im Wege stehen kann.
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Von Unternehmer für Unternehmer.
[11] https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/amazon-will-nachhaltiger-werden-bezos-gruenes-versprechen/25034942.html
[12] https://www.youtube.com/watch?v=j2-znMY2G_I
[13] https://www.apple.com/de/newsroom/2020/07/apple-commits-to-be-100-percent-carbon-neutral-for-its-supply-chain-and-products-by-2030/
[14] https://www.wiwo.de/finanzen/boerse/technologieaktien-geheime-zulieferer/6476006-3.html
[15] https://www.deutschlandfunk.de/nach-selbstmord-serie-bei-foxconn-arbeitsbedingungen-nicht.766.de.html?dram:article_id=391484
[16] https://www.heise.de/newsticker/meldung/NGO-Amazon-Zulieferer-Foxconn-produziert-unter-illegalen-Arbeitsbedingungen-4075712.html
[17] https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2018-06/amazon-foxconn-china-echo-arbeitsschutz
[18] https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/iPhone-Produktion-Apple-sucht-auch-in-China-nach-Alternative-zu-Foxconn-4720778.html